Wie hohe Pässe uns lehren, in Ladakh anders zu reisen
Von Declan P. O’Connor
Eröffnende Betrachtung: Wo Straßen ins Gedächtnis aufsteigen

Warum Hochgebirgsstraßen den Reisenden formen, bevor es das Reiseziel tut
Jede Reise nach Ladakh beginnt – zumindest in unserer Vorstellung – mit einem Ziel. Ein See, dessen Blau auf dem Handybildschirm unwirklich wirkt. Ein Kloster, das an eine Felswand genäht scheint. Ein Tal, dessen Name sich von Europa aus beinahe mythisch anhört. Doch je mehr Zeit man in dieser Ecke des Himalaya verbringt, desto deutlicher wird: Es ist nicht das Ziel, das uns formt, sondern die Straßen, die dorthin hinaufführen. Die hohen Pässe Ladakhs – die langen Anstiege zu Zoji La und Fotu La, die steilen Serpentinen des Khardung La, die abgelegenen Wälle von Umling La und Marsimik La – verlangsamen einen Reisenden lange bevor der Motor seine Kraft verliert. Sie verlangen, dass du anders atmest, anders denkst und zugibst, dass du ein Tier bist, das mehr von Sauerstoff abhängt als von Stolz.
Auf Meereshöhe ist eine Straße bloß Infrastruktur. Sie erzählt von Bequemlichkeit und Geschwindigkeit, sie ermutigt dazu, mehr in den Tag zu packen. In der Höhe jedoch wird eine Straße zu einer Art moralischer Landschaft. Je höher du hinauffährst, desto weniger zählen deine Pläne und desto mehr zählt dein Körper. Die Luft wird dünner, die Spielräume enger, und der gewohnte europäische Impuls, Erlebnisse in ein langes Wochenende zu pressen, wirkt plötzlich ein wenig lächerlich. Hier ist die Fahrt über Ladakhs hohe Pässe keine Aufwärmübung für das Abenteuer; sie ist das Abenteuer. Und wenn du genau hinhörst – auf den Motor, der sich quält, auf die Stille zwischen den Windböen –, beginnst du zu ahnen, dass die Straße sich an etwas über dich erinnert, das du selbst vergessen hast.
Irgendwo über 4.000 Metern hört dein Reiseplan auf, ein Zeitplan zu sein, und wird zu einem Geständnis: So viel Eile hast du mitgebracht, und auf so viel bist du bereit zu verzichten.
Ladakhs hohe Pässe verstehen
Die alte Logik eines Passes
Lange bevor es asphaltierte Bänder durch den Himalaya gab, gab es Pässe. Sie waren am Anfang keine Aussichtspunkte und keine Bühne für Fotos vom „Dach der Welt“. Sie waren Überlebensrouten – die schmalen Nähte in einer Landschaft, die sich sonst nicht überqueren ließ. In Ladakh ist ein hoher Pass der Ort, an dem die Geographie endlich mit menschlichem Begehren verhandelt und widerwillig sagt: „Gut, ihr dürft hier durch – aber langsam und nur gegen einen Preis.“ Schafkarawanen, Salztrader, Pilger zu Fuß: Jahrhunderte lang zogen sie über Sättel wie Pensi La hinüber nach Zanskar oder auf den groben Spuren, die den heutigen Straßen Srinagar–Leh und Manali–Leh vorausgingen, vertrauten nicht auf GPS, sondern auf Erinnerung und Gerücht.
Diese ältere Logik ist auf Ladakhs hohen Pässen noch spürbar. Selbst wenn die Straße gut ausgebaut ist und der Asphalt frisch, hat man das Gefühl, einer geduldigen Entdeckung von früher zu folgen und nicht eine moderne Linie auf eine leere Karte zu zeichnen. Namen wie Baralacha La, Namika La oder Taglang La tragen das Gewicht dieser Geschichte. Sie sind nicht bloß Koordinaten; sie sind das Protokoll jener Stellen, an denen Füße, Hufe und später Räder gerade genug Erleichterung im Gelände fanden, um zwischen Gebirgsketten hindurchzugleiten. Wer hier fährt, erbt diese Arbeit – oft, ohne es zu merken – und entdeckt, dass das Wort „Abkürzung“ irgendwo über 3.500 Metern einfach verschwindet.
Warum befahrbare Pässe heute wichtig sind
Im Zeitalter von Satellitenkarten und Flugsuchmaschinen scheint es leicht, zu glauben, Straßen seien nicht mehr wichtig, nur die Ankunft. Ladakh widerspricht höflich. Das Netz der befahrbaren Pässe – die Straße Srinagar–Leh über Zoji La und Fotu La, der Highway Manali–Leh über Baralacha La, Nakee La, Lachulung La und Taglang La, die Abzweige nach Nubra über Khardung La und Wari La, die Strecken hinauf nach Chang La, Marsimik La und Photi La – hat das tägliche Leben auf deutliche und leise Weise verändert. Medizinische Hilfe kommt schneller, Schüler können für höhere Bildung ihre Dörfer verlassen, Gemüse erreicht die Märkte, bevor es gefriert. Und doch sind die Pässe nicht gezähmt. Sie bleiben saisonal, launisch, dem Schnee und dem Wind unterworfen.
Für Reisende sind befahrbare Pässe in Ladakh weniger Trophäen als Zugänge zu einer lebendigen Hochgebirgskultur. Sie machen es einem europäischen Besucher möglich, in einem Gästehaus in Leh aufzuwachen und innerhalb eines Tages Tee in einem Dorf in Nubra zu trinken oder über dem Pangong-See zu stehen. Gleichzeitig bestehen sie auf bestimmten Disziplinen: Akklimatisationstage, flexible Reisepläne und die Bereitschaft umzukehren, wenn das Wetter – oder die Border Roads Organisation – erklärt, dass der Tag vorbei ist. Auf diese Weise lehren Ladakhs hohe Pässe moderne Reisende, dass Infrastruktur nicht allmächtig ist und dass Straßen, selbst wenn sie asphaltiert sind, die Autorität des Berges nicht aufheben.
Sicherheit und Rhythmus des Reisens in der Höhe
Eine der stillen Wahrheiten, die Ladakhs hohe Pässe zuflüstern – wenn man bereit ist hinzuhören –, lautet: Der menschliche Körper verhandelt nicht gut mit Geschwindigkeit. Von Delhis tiefer, dichter Luft in weniger als 48 Stunden hinauf zum Khardung La zu steigen, ist keine Leistung; es ist eine biologische Provokation. Dasselbe gilt für die lange, schöne Fahrt von Manali über Rohtang, Baralacha La, Nakee La, Lachulung La und Taglang La nach Leh. Die Landschaft lädt zur Eile ein; der Körper verlangt nach Stufen. Die akute Höhenkrankheit ist kein Charakterfehler, aber fast immer eine Folge davon, den Rhythmus zu ignorieren.
Praktische Weisheit ist hier schlicht, aber kompromisslos: Übernachte zunächst in Leh oder Kargil, bevor du höher hinaufsteigst; lass Zoji La oder Fotu La deine erste Begegnung mit dünnerer Luft sein, nicht deine letzte. Behandle die hohen Pässe als Prüfungen, zu denen du erst antrittst, nachdem du die „Unterrichtsstunden“ der Akklimatisation besucht hast. Und denk daran, dass Ladakhs Straßenteams Pässe aus Gründen schließen, die nichts mit Bequemlichkeit und alles mit Überleben zu tun haben. Der Reisende, der zuhört – der akzeptiert, dass ein „Nein“ des Berges manchmal das großzügigste Wort ist –, entdeckt eine andere Art von Freiheit. Die Reise hört auf, ein Angriff auf Gipfel zu sein, und wird stattdessen zu einem Gespräch mit ihnen.
Die nördlichen Tore: Pässe zwischen Leh und dem Nubra-Tal
Khardung La: Die mythische Schwelle nach Nubra

Khardung La ist für viele Besucher der erste Name, den sie hören, wenn sie von Ladakhs hohen Pässen zu träumen beginnen. Jahrelang wurde er – ungenau, aber beharrlich – als der höchste befahrbare Pass der Welt beworben. Inzwischen haben Kartographen den Anspruch korrigiert und neue Straßen ihn überholt, aber die Legende bleibt. Mit etwa 5.359 Metern über dem Meeresspiegel braucht der Khardung La keine Superlative. Er erfüllt eine wichtigere Rolle: Er ist das Scharnier, das den Reisenden aus dem Industal hinaus in die breiten, verflochtenen Landschaften von Nubra schwenkt.
Die Straße von Leh steigt stetig an, vorbei an Klöstern und Armeeposten, in eine Welt, in der Geräusche dünner werden und Farbwechsel deutlicher ins Auge fallen. Gebetsfahnen explodieren entlang des Grates, Lastwagen arbeiten sich im niedrigen Gang hinauf, und jede Haarnadelkurve fühlt sich an wie eine kleine Entscheidung darüber, wie viel Unbehagen du für die Aussicht in Kauf nehmen willst. Vom Pass aus ist das Panorama nicht ordentlich; es ist weit, zerrissen und tief bewegend. Der Reisende blickt auf die Straße hinunter, die ihn heraufgebracht hat, und erkennt, dass dieser eine Pass seine innere Karte umgeordnet hat: Leh ist nicht länger Ziel, sondern Basislager; die eigentliche Reise entfaltet sich jenseits davon, in Nubras Sanddünen, Aprikosenhainen und kalten Flüssen.
Wari La: Der stille Rivale des Khardung La
Wenn Khardung La der Extrovertierte unter Ladakhs hohen Pässen ist – belebt, fotografiert, mit Schildern gesäumt –, dann ist Wari La sein introvertierter Cousin. Etwas niedriger gelegen, aber steiler und deutlich weniger befahren, bietet Wari La eine alternative Route zwischen der Seite Leh–Pangong und dem Nubra-Tal. Er verbindet Sakti und die Pangong-Zufahrtsstraße mit der Agham-Seite von Nubra in einem langen, weit ausholenden Bogen, den die meisten Vermieter ohne guten Grund und noch bessere Vorbereitung eher nicht empfehlen. Genau diese Zurückhaltung macht den Pass für jene reizvoll, die das Gefühl haben, das Reisen sei zu durchchoreografiert, zu kuratiert geworden.
Auf Wari La fühlt sich die Ausgesetztheit unmittelbarer an. Es gibt weniger Fahrzeuge, weniger Schilder und oft kein Mobilfunksignal. Die Gipfel wirken näher, der Himmel schwerer, die Stille tiefer. Man besucht nicht einfach Ladakhs hohe Pässe; man teilt die Straße für einen Moment mit Hirten, lokalen Fahrern und dem Wind selbst. Für europäische Reisende, die an Autobahnen und Raststätten gewöhnt sind, kann das zugleich beunruhigend und befreiend sein. Die Geographie fordert Aufmerksamkeit, die Höhe verlangt Demut, und der Lohn ist eine Art Einsamkeit, die auf unserem Planeten selten geworden ist: nicht inszeniert, nicht verpackt, sondern ein Nebenprodukt davon, dass man eine Straße wählt, die den meisten immer noch ein wenig zu unbequem erscheint.
Die östlichen Straßen: Wege nach Pangong und Changthang
Chang La: Die eisige Treppe nach Pangong
Östlich von Leh steigt die Straße zum Pangong-See zum Chang La an, einem Pass, dessen Name selten ohne ein kleines, unwillkürliches Frösteln ausgesprochen wird. Chang La ist nicht der höchste Pass in Ladakh, aber er wirkt besonders abrupt. Seine steilen Rampen, das häufige Eis und das plötzliche Wetter machen ihn weniger zu einem Postkartenstopp als zu einer strengen Einführung in das Changthang-Plateau. Auf etwa 5.360 Metern verwandelt sich Feuchtigkeit in kleine, hartnäckige Unannehmlichkeiten: gefrorene Stellen im Schatten, Wind, der scheinbar in die Jacke hineinlangt, der leichte Kopfschmerz, der daran erinnert, dass die roten Blutkörperchen den Plänen noch nicht gefolgt sind.
Gleichzeitig beginnt hier die Vorfreude auf Pangong im eigentlichen Sinn. Hinter jeder Kurve ahnt man die Welt, in die man gleich eintritt: ein weiterer Himmel, ein blasserer Horizont, das Gefühl, dass vertraute Kategorien wie Tal, Dorf und Stadt etwas Spärlicherem weichen werden. Die Straße über Chang La wird von der üblichen ladakhischen Mischung aus Pragmatismus und Humor begleitet – Teestände, Armeeschilder, Gebetsfahnen. Doch unter den Schildern und Selfies liegt eine tiefere Geschichte: die Menschheit, die auf einem fragilen Korridor besteht, wo die Umgebung uns lieber weiter unten sähe. Wer hier fährt, fühlt sich zugleich ermächtigt und ein wenig fehl am Platz – als Gast, der seinen natürlichen Aufenthalt durch die Gnade von Ingenieuren und die Geduld des Berges verlängert hat.
Marsimik La: Wo Zivilisation wie eine Erinnerung wirkt
Hinter dem klassischen Aussichtspunkt von Pangong wird die Straße zarter, und Namen wie Marsimik La tauchen in Gesprächen auf, die halb Sehnsucht, halb Warnung sind. Marsimik La ist einer jener hohen Pässe in Ladakh, die am Rand dessen liegen, was praktisch erreichbar und politisch wie körperlich sinnvoll ist. Mit über 5.500 Metern, nahe einer sensiblen Grenzzone, hat er nicht nur wegen seiner Höhe, sondern auch wegen seiner Ungewissheit einen Ruf: Zugangsregeln ändern sich, Genehmigungen wechseln, Straßenzustände schwanken zwischen rau und kaum glaubhaft. Das ist kein Ausflug, den man leichtfertig als „einen weiteren Stopp“ nach Pangong anhängt. Es ist eine Verpflichtung zu Unbequemlichkeit, Logistik und einer ethischen Frage: Wie weit sollte ein Reisender in fragile Gebiete vordringen?
An einem Tag, an dem der Zugang erlaubt ist und das Wetter gnädig, auf Marsimik La zu stehen, heißt, eine merkwürdige Intimität mit der Abwesenheit von Dingen zu erleben. Es gibt keine Cafés, keine inszenierten Aussichtspunkte, keine Erklärtafeln in mehreren Sprachen. Es gibt Wind, Stein und eine Luftdünne, die so vollkommen ist, dass sogar Gespräche überflüssig wirken. Für europäische Besucher, die an Nationalparks gewöhnt sind, die bis ins Detail kartiert und ausgeschildert sind, ist Marsimik La eine Erinnerung daran, dass nicht jeder schöne Ort unsere erklärende Infrastruktur braucht oder will. Manchmal ist das Ehrlichste, was ein Reisender tun kann, anzuerkennen, dass eine Straße seinem Verständnis vorausgeeilt ist – und zu akzeptieren, dass Umkehren, solange die Lunge noch unsicher ist, kein Scheitern, sondern Treue zum Land bedeutet.
Kaksang La: Die wilde Hintertür von Changthang
Wenn Marsimik La am Rand des Erlaubten liegt, dann markiert Kaksang La eine andere Grenze: die stille Schwelle zwischen bereits entlegen und kaum besucht. Dieser hohe Pass, der sich durch das Changthang-Plateau zieht, taucht häufig in den Routen jener auf, die in Abkürzungen sprechen – Offroad-Clubs, Expeditionplaner, Strecken, die eher über Koordinaten als über Dorfnamen beschrieben werden. Kaksang La führt nicht zu einem überfüllten Instagram-Motiv; er führt in einen Raum aus weiter, unsentimentaler Stille. Das Plateau öffnet sich um dich, der Himmel drückt nach unten, und die Straße wirkt weniger wie eine Verbindung zwischen Orten als wie eine fragile Vermutung, wo der Boden tragen könnte.
An Kaksang La liegt eine gewisse Ehrlichkeit, die viele Reisende beunruhigend finden. Es gibt keine einfachen Ausweichrouten, keine schnellen Abfahrten in dicht besiedelte Täler, keine Garantie, dass ein anderes Fahrzeug auftauchen wird, wenn du stecken bleibst. Die Winde von Changthang folgen hier ihrem eigenen Plan, und der Schnee kann auf unvorhersehbare, nicht verhandelbare Weise kommen. Kaksang La in eine Reise einzubauen, heißt zu akzeptieren, dass nicht jeder Tag auf Komfort oder Inhalte optimiert sein muss. Ladakhs hohe Pässe erinnern einen daran, dass Abgeschiedenheit keine romantische Ästhetik, sondern eine gelebte Realität ist – getragen von den Menschen, die diese Straßen instand halten, und die sehr viel weniger Freiheit haben, sich auszusuchen, wann und wie sie sie nutzen, als die Besucher, die durchfahren.
Photi La: Der Balkon über Hanle
Hanle ist in den letzten Jahren zu einer Art geflüstertem Talisman unter reisenden Himmelsliebhabern geworden. Das Observatorium, der Dark-Sky-Status und die Offenheit für leisen Tourismus haben den Ort zu einem Ziel für jene gemacht, die Sterne nicht als dekorative Punkte, sondern als dicht bevölkerte Lichtviertel sehen wollen. Über Hanle steigt die Straße weiter hinauf zum Photi La, einem hohen Pass, der sich anfühlt wie ein Balkon, der für niemand Bestimmten gebaut wurde. Mit über 5.500 Metern Höhe bietet Photi La keinen einzelnen ikonischen Blick, sondern eine Folge von Offenbarungen: das Dorf als verstreute Punkte tief unten, die Berge in weicheren Silhouetten gestaffelt, der Himmel nicht mehr als etwas, zu dem man aufblickt, sondern als etwas, das einen umgibt.
Für europäische Besucher, die Straßen gewohnt sind, die wirtschaftlich wichtige Punkte verbinden, kann Photi La fast überflüssig erscheinen – eine Straße „ins Nichts“. Genau darin liegt sein Wert. Er lädt dazu ein, einen Tag nicht einem berühmten See oder Markt hinterherzujagen, sondern einfach die Höhe ihre stille Arbeit tun zu lassen. Auf einem Felsen nahe dem Pass zu sitzen und zuzusehen, wie der Wind Licht und Gebetsfahnen neu ordnet, lässt dich verstehen, dass nicht jeder hohe Pass in Ladakh sich durch eine Ausstattung oder eine Aussichtsplattform rechtfertigen muss. Manche gibt es, damit lokale Hirten Zugang haben, damit eine Linie auf der Karte aus Sicherheitsgründen gehalten wird – oder um Besucher daran zu erinnern, dass die Welt noch Ränder kennt, die sich nicht um sie drehen.
Die legendäre Höhe: Umling La und die neue Grenze am Mig La
Umling La: Dünne Luft, dichte Ehrfurcht
Als die Nachricht die Runde machte, dass die Border Roads Organisation eine befahrbare Straße über den Umling La gebaut habe, die auf nahezu 5.800 Meter steigt, füllten sich Reise-Foren mit vertrauter Elektrizität. Hier war endlich das neue Superlativ: der höchste befahrbare Pass, das ultimative Ziel, der Gipfel des automobilen Höhenrausches. Die Realität hat diese Erzählung schnell kompliziert. Die Straße, die entlegene Dörfer bei Hanle und Demchok verbindet, wurde in erster Linie aus strategischen und lokalen Gründen gebaut, nicht für die Checklisten durchreisender Biker. Die Regeln, wer wann und unter welchen Bedingungen hinauffahren darf, schwankten mit Grenzspannungen und praktischen Überlegungen. Umling La, kurz gesagt, sträubt sich dagegen, auf eine Trophäe reduziert zu werden.
Wer ihn eines Tages erreicht – langsam, verantwortungsvoll, mit richtiger Akklimatisation und Genehmigungen –, merkt, dass Zahlen nicht auf das Gefühl vorbereiten. Die Luft am Umling La ist so dünn, dass selbst Worte Luxus sind und schon kleine Bewegungen Atem rauben. Die Landschaft ist von Schmuck befreit: bloße Hänge, gefrorener Boden, ein Himmel, der nah genug wirkt, um ihn zu berühren. Das inspiriert nicht zum Erobern, sondern zu Ehrfurcht. Man steht auf einer Straße, die es fast nicht geben dürfte, einer schmalen Behauptung menschlicher Ingenieurskunst an einem Ort, den ein einziger harter Winter wieder für sich beanspruchen könnte. Die Lektion von Umling La lautet nicht, dass Menschen überall hinkönnen; sondern dass wir einen Berg gelegentlich, und nur für kurze Zeit, dazu überreden, unsere Durchreise zu dulden.
Mig La: Der neue höchste befahrbare Pass
Als ob der Wunsch nach Superlativen so hartnäckig wäre wie der Bergwind, löste die Ankündigung einer neuen Straße über Mig La – angeblich noch höher als Umling La – eine weitere Welle von Schlagzeilen aus. Wieder waren die Adjektive schnell zur Stelle: höchste, extremste, rekordbrechende Straße. Und wieder drängte sich der Kontext dazwischen. Mig La, Teil einer strategischen Verbindung zwischen Likaru und Fukche in Ost-Ladakh, ist in erster Linie eine Arbeitsstraße. Ihr Zweck besteht darin, Nachschub zu bewegen, die Erreichbarkeit von Grenzgemeinden zu verbessern und eine militärische Präsenz in einer erbarmungslosen Umgebung zu unterstützen. Ob sie jemals regelmäßig in touristische Routen eingebaut wird, ist – und sollte – zweitrangig sein.
Aus Sicht des Reisenden bietet Mig La die Chance, neu zu überlegen, was wir von der Höhe verlangen. Ist jeder neue hohe Pass, den man befahren kann, automatisch eine Einladung, es zu tun? Oder sollten manche Höhen vor allem jenen vorbehalten bleiben, die sie aus Gründen nutzen, die ernster sind als schöne Aussichten? Für europäische Besucher, die sich von Ladakhs hohen Pässen angezogen fühlen, ist das eine unbequeme, aber notwendige Frage. Sie zwingt uns über die Sprache des „Bezwingens“ von Straßen hinaus in ein bescheideneres Vokabular: besuchen, bezeugen, respektieren. Es geht nicht darum, die Leistung der Ingenieure kleinzureden, die die Straße über Mig La gebaut haben, sondern darum zu erkennen, dass Bewunderung nicht immer in physische Präsenz münden muss.
Der westliche Korridor: Die Pässe der Straße Srinagar–Leh

Zoji La: Das Tor zwischen Welten
Auf der Straße von Srinagar nach Ladakh gibt es einen Moment, in dem sich die Welt zu teilen scheint. Hinter dir liegen die Wälder, Wiesen und die feuchte Luft Kaschmirs; vor dir die felsigere, trockenere Palette Ladakhs. Die Linie zwischen diesen Klimazonen ist keine saubere Grenze auf einer Karte, sondern der unruhige, schneebedeckte Sattel des Zoji La. Mit etwas über 3.500 Metern ist Zoji La nicht so hoch wie Ladakhs loftigste Pässe, aber er trägt ein symbolisches Gewicht, das sich nicht allein mit Höhe erklären lässt. Er ist das Tor, an dem viele zum ersten Mal spüren, dass sie eine kulturelle und ökologische Welt verlassen und eine andere betreten.
Die Straße ist schmal, oft in etwas hinein gehauen, das sich anfühlt wie die Seite eines waghalsigen Gedankens. Im Sommer ist sie voll mit Lastwagen und Pilgern; in der Vor- und Nachsaison wird sie von Schneewänden und der wachsamen Präsenz der Straßenteams bewacht. Für Reisende ist der Übergang über Zoji La teils praktisch, teils Initiation. Hier lernt man, den lokalen Fahrern und ihrem unerschütterlichen Verständnis der Straße zu vertrauen, Verzögerungen als Botschaften des Wetters statt als Beleidigungen zu betrachten und die Textur von Risiko auf einer Route zu spüren, die für diejenigen, die hier leben, alltäglich ist. Über Zoji La zu fahren bedeutet zu entdecken, dass der Preis, nach Ladakh zu gelangen, nicht in Geld oder Kilometern gezahlt wird, sondern in der Bereitschaft, zu Bedingungen zu reisen, die man nicht kontrolliert.
Namika La: Der Pass der steinernen Säulen
Weiter entlang der Straße Srinagar–Leh, hinter Drass und Kargil, beginnt die Straße erneut zu steigen, diesmal zum Namika La. Der Name, oft als „Säule des Himmels“ übersetzt, passt zur Szenerie: erodierte Felsformationen steigen von den Hängen auf, als wären sie versteinerte Flammen oder uralte Monumente, deren Erbauer längst weitergezogen sind. Namika La ist nicht so dramatisch in der Höhe wie einige der anderen Pässe Ladakhs, aber er beeinflusst die Stimmung des Reisenden auf leise Weise. Das Grün wird spärlicher, die Täler öffnen sich, und der Himmel wirkt weniger wie eine Decke und mehr wie ein Feld.
Dieser Pass arbeitet langsam an dir. Es gibt keinen einzigen überwältigenden Aussichtspunkt. Stattdessen vollzieht sich eine Reihe kleiner Anpassungen: Licht, das auf Fels wechselt, Dörfer, die in der Ferne schrumpfen, das leise Gefühl, auf eine größere Bühne gehoben zu werden. Für europäische Autofahrer, die an offensichtliche Alpenpanoramen gewöhnt sind, kann Namika La zurückhaltend wirken. Aber er erfüllt eine wichtige narrative Funktion: Er bereitet auf die psychologische Geographie Ladakhs vor, in der das Drama ebenso in den Räumen zwischen den Siedlungen liegt wie in den Siedlungen selbst. Wenn du zum nächsten Tal hinabfährst, haben deine Augen gelernt, eine Landschaft zu lesen, in der das Fehlen von Bäumen, Menschen und Lärm keine Leere ist, sondern eine andere Form von Präsenz.
Fotu La: Die sanfte Kuppe über dem „Moonland“
Fotu La, der höchste Punkt der Straße Srinagar–Leh, hat eine Persönlichkeit, die überraschen kann, wenn man hohe Pässe nur aus schlechten Romanen über „Rauheit“ kennt. Die Anfahrt ist oft sanft, der Asphalt überraschend gut gepflegt, die Kurven weit statt klaustrophobisch. Unter dieser relativen Leichtigkeit vollzieht sich jedoch eine tiefe Verschiebung. Von Fotu La fließt die Welt hinab zum berühmten „Moonland“ bei Lamayuru, wo Hügel zu weichen, blassen Falten erodieren, die eher gezeichnet als geformt wirken.
Auf Fotu La, im Wind stehend und die Grate betrachtend, wird klar, dass Ladakhs hohe Pässe keine homogene Kategorie sind. Manche, wie Khardung La oder Chang La, konfrontieren dich mit Härte; andere, wie Fotu La, verführen mit sanfteren Linien. Doch alle stellen dieselbe Frage in unterschiedlichen Tönen: Wirst du zulassen, dass die Reise mehr ist als Transit? Für viele, die aus Kaschmir kommen, fällt hier die Entscheidung. Man kann den Rest der Strecke nach Leh als logistische Hürde in einem Tag „erledigen“ – oder man kann beginnen, sie als langes, langsames Gespräch mit wechselnder Geologie, kühn platzierten Klöstern und einer Kultur zu verstehen, die sich nach der Grammatik von Pässen geformt hat.
Die südliche Hochstraße: Die Pässe des Highways Manali–Leh

Baralacha La: Wo Himachal dich an Ladakh übergibt
Auf der langen, oft anstrengenden Fahrt von Manali nach Leh ist Baralacha La der Pass, an dem die Reise aufhört, sich wie ein ambitionierter Roadtrip anzufühlen, und beginnt, einer Pilgerfahrt zu gleichen. Mit rund 4.900 Metern ist er nicht der höchste der Pässe Ladakhs, doch er nimmt eine starke symbolische Position ein. Hier, in einem Gebiet aus hohen, kahlen Bergen und gletscher gespeisten Bächen, teilen sich Wasserscheiden, und Geschichten kreuzen einander. Drei Flusssysteme haben in dieser Gegend ihren Ursprung und fließen in Richtungen, die Leben weit entfernt von diesen leeren Hängen prägen.
Für Reisende ist der Anstieg zum Baralacha La ein langsames Abstreifen von Gewissheiten. Die Cafés werden seltener, die Vegetation zieht sich zurück, und die Abstände zwischen Zeichen menschlicher Präsenz dehnen sich. Am Pass selbst, oft selbst im Frühsommer von Schnee gesäumt, spürt man, dass Himachal sich unauffällig zurückgezogen hat und Ladakh sich noch nicht ganz vorgestellt hat. Es ist eine Zwischenzeit, eine Schwelle. Der Wind wirkt älter, der Himmel größer, das Gefühl der Zerbrechlichkeit schärfer. Wer lange genug stehenbleibt, um zuzuhören, hört Baralacha La eine wichtige Wahrheit sagen: Grenzen auf Karten sind ordentlich, Übergänge im Gelände dagegen langsam, mehrdeutig und voller Milde.
Nakee La: Der Windtunnel über den Gata Loops
Kurz nach den übereinander gestapelten Haarnadelkurven der Gata Loops – einer Reihe von Serpentinen, die wie ein Diagramm des Durchhaltewillens wirken – steigt die Straße Manali–Leh zum Nakee La an. Dieser Pass, auf etwa 4.700 Metern, ist weniger für seine Aussicht bekannt als für seine konsequente Ausgesetztheit. Der Wind kanalisiert sich mit beinahe architektonischer Präzision durch den Sattel, verwandelt parkende Fahrzeuge in vorübergehend vibrierende Objekte und macht lose Gegenstände zu unfreiwilligen Flugschriften. Hier begreifen viele zum ersten Mal, dass Ladakhs hohe Pässe nicht isolierte Hindernisse, sondern Kapitel einer längeren Geschichte von Anpassung sind.
Die Folklore um Nakee La enthält Geschichten von gestrandeten Lastwagenfahrern, improvisierten Schreinen und die leicht makabre Erzählung eines „Geistes“ im Zusammenhang mit den Gata Loops. Man muss an nichts davon glauben, um ihre Wirkung zu spüren. Sie erinnern daran, dass diese Straße jahrzehntelang ein Prüfstand für Ausdauer war, nicht ein Abenteuerspielplatz. Für Menschen aus Europa, wo Über-Engineering Bergstraßen oft jede Dramatik nimmt, ist Nakee La eine deutliche Erinnerung daran, dass Straßen immer noch prekär sein können, dass Wind weiterhin die Regeln schreibt und dass ein Erdrutsch oder Schneesturm Fortschritt über Nacht zurücknehmen kann. Die Lektion ist nicht, die Reise zu fürchten, sondern ihre Bedingungen zu respektieren – und sich daran zu erinnern, dass Geschwindigkeit nicht der einzige Maßstab für einen gelungenen Tag ist.
Lachulung La: Der kahle Grat des flüsternden Staubs
Weiter oben auf der Strecke Manali–Leh liegt der Lachulung La, ein Pass, dessen Name im Gedächtnis bleibt wie ein halb erinnerter Mantra. Mit etwa 5.000 Metern ist er einer jener hohen Pässe Ladakhs, an denen Vegetation scheinbar komplett aufgibt. Die Hänge sind kahl, der Boden locker, der Horizont weit und ungeniert. Wenn der Wind aufkommt – was oft der Fall ist –, hebt sich feiner Staub vom Boden und zieht in niedrigen, bedächtigen Schleiern über die Straße, als würde der Berg seine eigenen Gedanken neu ordnen.
Lachulung La hat etwas beinahe Mönchisches. Er bietet wenig klassische Fotodramatik: kein dominierender Gipfel, kein üppiges Tal direkt darunter. Stattdessen lehrt er Minimalismus. Jede Form, jeder Schatten zählt, weil es so wenige gibt. Wer hastig durchfährt, erinnert sich vielleicht nur als „den kahlen Pass“ an ihn; doch wer innehält – selbst kurz –, berichtet oft von einer eigentümlichen Ruhe. Es ist, als hätte das Fehlen visueller Reize Raum für andere Wahrnehmungen geschaffen: das Geräusch eines einzigen Lastwagens, der von weitem näherkommt, das spürbare Temperaturfallen, wenn eine Wolke die Sonne verdeckt, das Bewusstsein für den eigenen Atem als einzig wirklich dringendes Geräusch in der Landschaft.
Taglang La: Das Tor zu den More Plains
Taglang La markiert einen Wendepunkt auf der Straße Manali–Leh. Mit über 5.300 Metern ist er einer der höchsten Pässe der Route und einer der höchsten befahrbaren Pässe der Region. Vor allem aber steht er als Wächter vor dem langen, surrealen Abschnitt der More Plains, wo die Straße beinahe absurd gerade über ein Hochplateau verläuft, das wirkt, als sei es von einem Minimalisten mit Humor entworfen worden. Vom Taglang La aus sieht die Welt gleichzeitig riesig und erstaunlich lesbar aus; man erkennt die Linien von Tälern und Graten, für deren Durchquerung man zu Fuß Tage bräuchte.
Für viele Reisende, besonders Selbstfahrer, ist Taglang La der Moment, in dem Müdigkeit, Höhe und Ehrfurcht zusammenfallen. Es ist verlockend, das Erlebnis auf eine Zahl oder eine Kerbe im Gürtel zu reduzieren: „Wir haben noch einen hohen Pass in Ladakh überquert.“ Doch wenn man dem Moment Luft lässt, geschieht etwas Tieferes. Man versteht, dass man nichts erobert. Man zieht für kurze Zeit eine Linie über eine Landschaft, die auch ohne unsere Anwesenheit vollständig wäre. Die Abfahrt vom Taglang La nach Leh bekommt dann eine andere Textur. Jede Kurve wirkt weniger wie eine Herausforderung und mehr wie eine Geste der Gastfreundschaft: der Berg, der dich entschieden, aber freundlich wieder hinunter in die Welt der Dörfer und Lichter begleitet.
Das Tor nach Zanskar: Pensi La

Wo Gletscher die Straße nach Padum bewachen
Die Straße von Kargil nach Zanskar ist – selbst nach Ladakh-Maßstäben – ein Geduldstest. Sie windet sich durch das Suru-Tal, vorbei an Feldern und Dörfern, die gegen den Hintergrund hoher, harter Gipfel fast unwahrscheinlich grün wirken. Schließlich steigt sie zum Pensi La an, einem Pass auf etwa 4.400 Metern, der als formelles Tor nach Zanskar gilt. Das prägende Bild des Pensi La ist nicht die Straße selbst, sondern das, was sie freigibt: der breite, weiße Schwung des Drang-Drung-Gletschers, der sich wie eine lebendige Erinnerung durch das Tal zieht.
Pensi La erinnert daran, dass Ladakhs hohe Pässe nicht nur dazu dienen, Ziele auf einer touristischen Karte zu verbinden; sie halten fragile Lebensadern offen, wo der Winter alle Optionen auslöscht. Wenn dieser Pass unter Schnee schließt, wird Zanskar deutlich isolierter, und der Jahreskalender ordnet sich um diese Tatsache. Für europäische Reisende ist es ernüchternd zu erkennen, dass die Strecke, die sie aus Neugier fahren, dieselbe ist, die andere für Notfälle, Schulwege, Nachschub oder den Besuch von Familie nutzen. Am Pensi La, mit dem Gletscher darunter und der dünnen Kälte im Wind selbst im Sommer, merkt man, dass man nicht bloß Landschaft betrachtet. Man ist Zeuge eines saisonalen Rhythmus von Öffnen und Schließen, der das Leben hier lange vor dem ersten Mietwagen aus Leh geordnet hat.
Praktische Weisheit für Reisende: Nicht jede Höhe ist gleich
Empfohlene Reihenfolge der Pässe zur Akklimatisation
Gerade Reisende aus Europa mit begrenzter Urlaubszeit sind versucht, Ladakhs hohe Pässe wie Abzeichen zu sammeln – so viele wie möglich, so schnell wie möglich. Doch die Höhe kümmert sich nicht um deinen Kalender, und dein Körper lässt sich nicht zwingen. Sinnvolle Akklimatisation ist kein optionales Extra; sie ist das Fundament, das alle anderen Erfahrungen reicher und sicherer macht. Ein praktischer Ansatz ist, mit den niedrigeren Pässen auf der Seite Srinagar–Leh zu beginnen – Zoji La, Namika La, Fotu La – oder zunächst mehrere Nächte in Leh zu verbringen, bevor du etwas höheres als Khardung La oder Chang La angehst.
Von dort aus kann man eine Steigerung planen: Nubra über Khardung La oder Wari La, Pangong über Chang La, und erst danach die entlegeneren Pässe von Changthang wie Marsimik La, Kaksang La oder Photi La und – wo erlaubt – Umling La. Die Pässe der Manali–Leh-Strecke – Baralacha La, Nakee La, Lachulung La, Taglang La – können entweder den Einstieg in die Höhe auf dem Hinweg bilden oder als Schlusspunkt auf dem Rückweg dienen, je nach Route. Wichtig ist weniger die exakte Reihenfolge als das Prinzip: Schlafhöhe langsam steigern, Ruhetage einplanen und dem Körper mehr zuhören als dem Reiseplan. Ladakh belohnt keine Hast, aber es belohnt jene, die langsam genug ankommen, um seine feineren Gaben zu bemerken.
Wann man einen Pass auslassen sollte
Es gibt eine stille Form von Mut, wenn man etwas auslässt, das das Ego möchte, die Lunge aber nicht. Die Kultur des Höhenreisens neigt manchmal zu einer leisen Macho-Note, in der Vorsicht geflüstert und Draufgängertum verstärkt wird. Ladakhs hohe Pässe haben wenig Geduld dafür. Wenn du dich in Leh schon unwohl fühlst, wenn dich Kopfschmerzen und Übelkeit in mittlerer Höhe begleiten oder wenn Vorhersagen und Straßenberichte Probleme andeuten, ist die klügste Entscheidung vielleicht, unten zu bleiben oder umzukehren. Das ist kein Scheitern; es ist ein Akt des Respekts – für deinen Körper, für die lokalen Fahrer, die dich sonst retten müssten, und für die Gemeinschaften, die mit den Folgen jedes Unfalls auf der Straße leben.
Es gibt auch ethische Gründe, manche Pässe zu bestimmten Zeiten auszulassen. Starke Regenfälle und Erdrutsche können dünne Ressourcen entlang der Highways Manali–Leh oder Srinagar–Leh überlasten. Zerbrechliche Ökosysteme nahe entlegener Pässe wie Marsimik La oder Kaksang La können unter unreguliertem Verkehr leiden. Strategische Straßen über Umling La oder Mig La sind vielleicht eine Zeit lang besser jenen überlassen, die sie wirklich brauchen. Die Frage lautet nicht: „Wie viel schaffe ich in zwölf Tagen?“, sondern: „Wo kann ich so reisen, dass ich den kleinsten Fußabdruck und die größte Dankbarkeit hinterlasse?“ Manchmal lehren Ladakhs hohe Pässe am deutlichsten durch den einen, den man bewusst nicht überquert.
Was hohe Pässe lehren, das Städte verlernen
Wer den größten Teil seines Lebens in Städten verbringt, trainiert seine Aufmerksamkeit auf bestimmte Annahmen: dass Zeit Geld ist, dass Vernetzung Sauerstoff ist, dass der kürzeste Weg immer der beste ist. Ladakhs hohe Pässe, langsam und mit offenen Augen überquert, bauen diese Annahmen Stück für Stück ab. Auf einem schmalen Straßenabschnitt über einem steilen Abgrund wird Zeit nicht zu Geld, sondern zu Spielraum – zu dem Raum, in dem du warten kannst, bis ein Lastwagen vorbeigefahren ist, eine Reihe von Gebetsfahnen ordnen oder eine Schafherde ihren Teil der Straße zurückerobern lassen kannst. „Verbindung“ schrumpft auf das, was unmittelbar da ist: den Fahrer neben dir, die Menschen im Teezelt, das Wetter.
Du beginnst zu begreifen, dass der Wert einer Straße nicht darin liegt, wie schnell sie dich von einem Komfort zum nächsten bringt, sondern darin, wie tief sie deine Vorstellung von Komfort durcheinanderbringt. Ladakhs hohe Pässe erinnern daran, dass Verletzlichkeit nicht das Gegenteil von Stärke ist; sie ist die Voraussetzung für Empathie. Man sieht, wie viel Arbeit nötig ist, um diese Routen offen zu halten – die Teams, die Eis aus Wasserdurchlässen sprengen, die Mechaniker, die alten Lastwagen zu unmöglichen Laufleistungen überreden – und versteht, dass jeder glatte Kilometer geliehen, nicht garantiert ist. Für viele europäische Reisende ist das die nachhaltigste Lektion: Nach Ladakh fühlen sich andere Reisen weniger wie Fluchten und mehr wie Gespräche an – gemessen nicht in Fotos, sondern in still veränderten Blickwinkeln.
Abschließende Betrachtung: Was der Wind behält, leihen wir uns nur kurz
Warum diese Straßen europäische Reisende stärker verändern als Ziele
Am Ende einer Reise über Ladakhs hohe Pässe – nach Zoji La und Fotu La, nach dem langen Anstieg zum Khardung La, dem eisigen Atem des Chang La, der strengen Abgeschiedenheit von Marsimik La oder Photi La, nach dem langen Bogen des Baralacha La und Taglang La, vielleicht sogar der dünnen Luft des Umling La oder den strategischen Höhen des Mig La – geschieht etwas Unerwartetes. Als erstes tauchen in der Erinnerung nicht die Aussichtspunkte oder Hotelzimmer auf, sondern die Straßen selbst. Man erinnert sich daran, wie ein Tal unter einem wandernden Schatten verschwand, wie der Fahrer im entgegenkommenden Lastwagen kurz die Hand hob, wie ein Dorfhund einige Meter neben dem Auto herlief, als wolle er dich aus seiner Geschichte hinausbegleiten.
Diese Straßen schmeicheln uns nicht. Sie verschleiern das Risiko nicht, sie bieten keine ständige Bestätigung, sie ordnen sich nicht unserem Komfort unter. Gerade deshalb werden sie zu Lehrern. Für europäische Reisende, die an Effizienz und Kontrolle gewöhnt sind, bieten Ladakhs hohe Pässe eine Lehrzeit in Akzeptanz. Ein Erdrutsch ist kein Problem, das sich mit einer App lösen lässt; er ist ein Ereignis, das den Tag umsortiert. Ein geschlossener Pass ist keine persönliche Kränkung; er erinnert daran, dass menschliche Pläne im besten Fall Entwürfe sind, die von Fels und Schnee redigiert werden.
Unterwegs sammeln sich Fragen: Wie viel unseres Reisens ist nichts weiter als der Export unserer Ungeduld in andere Landschaften? Was würde es bedeuten, sich durch einen Ort in der Geschwindigkeit seiner Jahreszeiten statt in der unseres Urlaubs zu bewegen? Und was sagt es über unsere Beziehung zur Erde, dass wir jede neue rekordbrechende Straße feiern, ohne immer zu fragen, ob das Land – oder die Menschen darauf – sich diesen Rekord überhaupt gewünscht haben?
Irgendwo in diesen Fragen liegt das eigentliche Geschenk von Ladakhs hohen Pässen. Sie laden uns ein, Reisen nicht als Flucht vor unserem Leben zu sehen, sondern als Probe für ein anderes Leben. Wir fahren vom Khardung La zurück in das Geräusch unserer Städte, lassen die windgegerbte Stille von Pensi La oder Lachulung La hinter uns, aber etwas von ihrer Logik folgt uns nach Hause. Vielleicht eilen wir immer noch zwischen Terminen, scrollen immer noch durch Feeds, messen Tage immer noch an Produktivität. Doch ein Teil von uns erinnert sich daran, dass es Orte gibt, an denen Zeit in Tagen gemessen wird, die Schnee braucht, um von einer Straße zu schmelzen; an denen Verbindung in gemeinsam geatmeter Luft auf 5.000 Metern gemessen wird; an denen Erfolg nicht dadurch definiert ist, wie viel wir getan haben, sondern wie behutsam wir uns bewegt haben.
FAQ – Reisen über Ladakhs hohe Pässe
F: Brauche ich extreme Fitness, um Ladakhs hohe Pässe zu besuchen?
Du musst kein Spitzenathlet sein, aber du brauchst eine realistische Einschätzung deiner Gesundheit und Grenzen. Sanftes Training vor der Reise, ehrliche Kommunikation mit deinem Fahrer oder Guide und die Bereitschaft zu Ruhetagen bewirken weit mehr als jede Fitnesszahl, die man beim Abendessen zitieren kann.
F: Ist es sicher, diese Straßen ohne lokalen Fahrer zu fahren?
Rein rechtlich mag es in manchen Fällen möglich sein, praktisch ist ein lokaler Fahrer jedoch oft die klügere Wahl. Sie lesen Wetter, Straßenstimmung und ungeschriebene Regeln – wer wo ausweicht, wer wartet – auf eine Weise, die ein gelegentlicher Besucher, egal wie viele Kilometer er anderswo gefahren ist, nicht nachvollziehen kann.
F: Wie kann ich als Besucher verantwortungsvoll über diese Pässe reisen?
Wähle Routen, die dein Körper verkraftet, verzichte auf unnötige Abstecher in fragile oder eingeschränkte Gebiete, respektiere Straßensperrungen und gib Geld in lokalen Homestays und Geschäften aus, statt die Region nur als Kulisse für flüchtige Bilder zu behandeln. Verantwortungsvolles Reisen bedeutet hier, mit mehr Fragen und Dankbarkeit als Fußabdrücken und Forderungen wieder abzureisen.
Am Ende wird der Wind die Straße überdauern, der Berg die Markierungen auf seiner Oberfläche, und die Pässe werden weiterhin still Gemeinschaften verbinden. Wir als Reisende leihen uns nur einen kurzen Durchgang durch diese hohe Geographie. Mit etwas Glück schicken uns Ladakhs hohe Pässe hinunter – nicht mit Geschichten persönlicher Triumphe, sondern mit einer leicht veränderten Haltung zur Welt: ein wenig langsamer, ein wenig aufmerksamer und bescheiden genug zu wissen, dass jede freie Straße eine vorübergehende Gnade ist, kein ewiger Anspruch.
Über den Autor
Declan P. O’Connor ist die erzählerische Stimme hinter Life on the Planet Ladakh, einem Erzählkollektiv, das die Stille, Kultur und Widerstandskraft des Lebens im Himalaya erkundet. Er schreibt für Reisende, die ahnen, dass Höhe nicht nur ihre Reiserouten, sondern auch ihre Art, der Welt Aufmerksamkeit zu schenken, verändern kann.
