Das Dorf Turtuk, im Schatten der Ladakh-Berge gelegen, ist ein stilles und strenges Land, in dem die Zeit scheinbar keine Eile kennt. Hier, nahe der Grenze zu Pakistan, wacht ein stiller König über sein Reich. Yabgo Mohammad Khan Kacho, der letzte Nachkomme einer einst mächtigen Dynastie, spricht mit ruhiger Gewissheit über seine Vorfahren. „Seit 2.000 Jahren herrscht meine Familie über dieses Land“, bemerkt er, seine Stimme ruhig wie der Fluss des Shyok, der sich durch das Tal windet.
Das Reich des Königs ist bescheiden, seine Grenzen sind durch Buchweizenfelder und grob behauene Steine der Dorfpfade definiert. Turtuk, mit seinen tiefen muslimischen Wurzeln, liegt still unter dem weiten Himmel Ladakhs, wo buddhistische Gompas noch immer als stille Zeugen einer anderen Zeit stehen. „Turtuk ist heute vollständig muslimisch“, sagt der König, seine Worte von einem Hauch Geschichte durchdrungen. Doch die Echos der buddhistischen Vergangenheit Ladakhs prägen weiterhin die Landschaft und verleihen dem Dorf ein tief verwurzeltes Erbe.
Die Reise nach Turtuk ist lang, die Straße schlängelt sich entlang des Shyok-Flusses und führt die Reisenden durch ein Land, in dem die Vergangenheit schwer in der Luft liegt. Auf meinem Weg dorthin tauchten die Überreste von Militärposten wie Geister vergangener Konflikte auf. Diese heute größtenteils verlassenen Außenposten bewachten einst die Linie, die zwei Nationen trennte – eine Linie, die bis heute das Leben auf beiden Seiten bestimmt.
Für die Menschen in Turtuk sind die sich verschiebenden Grenzen zwischen Indien und Pakistan zum Hintergrund ihres täglichen Lebens geworden. „Das ist Politik“, sagt der König abfällig, als wären die Linien auf der Karte von geringer Bedeutung. Seine eigene Familie ist durch die Grenze getrennt, Schwestern leben jenseits der Kontrolllinie, in einem Pakistan, das er nicht besuchen kann. „Wir sprechen, aber ich kann sie nicht sehen“, sagt er, beschwert von der Last geteilten Landes und angespannten Beziehungen.
In Turtuk wird Geschichte nicht nur erinnert – sie wird gelebt. Die Präsenz des Königs erinnert an eine Zeit, als seine Familie über ein großes Gebiet herrschte, das sich weit in das heutige Pakistan erstreckte. Die Kriege und Verträge des 20. Jahrhunderts haben nur Fragmente dieses einst großen Reiches hinterlassen, und Turtuk ist eines der wenigen Dörfer auf dieser Seite der Grenze, das noch unter indischer Kontrolle steht. Hier ist die Vergangenheit nicht fern – sie atmet in der kühlen Bergluft, in der Stille der Felder und in den Geschichten eines Königs, dessen Linie das Aufsteigen und Fallen von Imperien erlebt hat.
Während sich die Straße nach Turtuk entfaltet, verwandelt sich die Landschaft von den rauen, zerklüfteten Gipfeln, die Ladakh auszeichnen, in weichere, fruchtbarere Täler, in denen die Erde dem Ackerbau weicht. Es ist eine überraschende Verwandlung, als hätte die Natur selbst beschlossen, sich zu entspannen und die scharfen Kanten in Getreidefelder aufzulösen. Meine Reise führte mich an einen Ort, an dem die Vergangenheit in der Luft liegt – Turtuk, ein Dorf voller Geschichte, dessen königlicher Palast unsere erste Station war.
„Palast“ ist ein übertriebenes Wort für das, was eher ein Haus voller Echos vergangener Zeiten ist. Das Balti-Museum von Turtuk, schlicht und ungeschmückt, beherbergt die Geschichten einer Dynastie, die Jahrhunderte zurückreicht. König Yabgo Mohammad Khan Kacho, herzlich und erzählfreudig, führt mich durch die Geschichte Baltistans und seiner Abstammung. Seine Stimme trägt das Gewicht der Jahrhunderte, während er über die Yabgo-Dynastie spricht, deren Wurzeln bis ins sechste Jahrhundert zurückreichen, zur Zeit eines chinesischen Reisenden, der diese Lande beschrieb. Die Wände, geschmückt mit den Stammbäumen seiner Vorfahren, erzählen eine Geschichte mit dem Titel „Stammbaum der Rajas der Yabgo-Dynastie, Chhorbat Khapulu Baltistan“, ein Zeugnis für die Ausdauer seines Erbes.
Oberhalb des bescheidenen Innenhofs befindet sich das Museum, ein Aufbewahrungsort für Relikte Baltistans – Bögen und Pfeile, alte Karten und Artefakte, die von einem Königreich flüstern, das einst diese Region durchzog. Stolz strahlt von diesen Objekten aus, besonders vom Erbe von Beg Manthal, der von Chorbat-Khaplu bis zu den fernen Ausläufern von Ghizer herrschte. Der König, einst selbst Landwirt, widmet sich heute ganz der Bewahrung dieser Geschichte – eine Aufgabe, die er ohne finanzielle Unterstützung erfüllt, getrieben von seiner Treue zu den Vorfahren.
„Turtuk ist ein Agrardorf“, erklärt der König sachlich. „Die Luft ist rein, und das Land ist großzügig. Aprikosen, Walnüsse – das ist das Lebenselixier unseres Volkes.“ Obwohl er einst selbst auf den Feldern arbeitete, hat sich seine Rolle gewandelt; heute kümmert er sich um das Museum – eine Herzensangelegenheit, die die Verbindung des Dorfes zu seiner Vergangenheit aufrechterhält. Ich erfahre auch, dass der König Schriftsteller ist, obwohl eines seiner Werke – ein Buch, das einst wegen Gotteslästerung verboten wurde – ihm verloren gegangen ist, ein stiller Schmerz, den er in sich trägt.
Baltistan, wie es einst war, reichte weit über die heutigen Grenzen hinaus, bis nach Afghanistan im Norden. Heute ist es für Indien nur noch ein schmaler Streifen seines früheren Selbst, mit Turtuk am äußersten Rand. Erst 2010 wurde das Dorf für Touristen geöffnet, und selbst jetzt fühlt es sich wie eine verborgene Ecke der Welt an, weit entfernt von den belebten Routen Ladakhs. „Der Tourismus ist gut für uns“, gesteht der König. „Er bringt Einkommen, einen neuen Lebensstil für die Menschen hier.“
Der Übergang nach Turtuk ist nicht nur ein geografischer Wechsel, sondern eine Reise in eine andere Welt. Vom buddhistischen Kernland Ladakhs in diese überwiegend muslimische Enklave ist der Kontrast bemerkenswert. Das Dorf, obwohl noch auf indischem Boden, fühlt sich wie ein Ort für sich an, wo Traditionen fest verwurzelt sind und die Atmosphäre vom Gewicht der Geschichte durchdrungen ist.
Besucher kommen nicht nur, um den König zu sehen, sondern auch, um das Dorf selbst zu erkunden – den Wasserfall, das Balti Heritage Home und das alte Brokpa-Fort. Mein eigenes Ziel war es jedoch, das Wesen Turtuks mit meiner Kamera einzufangen, seine Menschen und Straßen zu fotografieren. Doch Turtuk ist ein schwieriges Motiv; anders als die offenen Gesichter des unteren Ladakh sind die Bewohner hier gegenüber der Kamera zurückhaltend. Überall stieß ich auf Widerstand – Kinder, die mit Wasser warfen, Erwachsene, die sich abwendeten, ihre Unruhe war spürbar. In einem Moment der Frustration übergab ich meine Kamera einer einheimischen Frau in der Hoffnung, sie könnte die Szenen einfangen, die mir entglitten. Die Ergebnisse waren gemischt – eine Erinnerung daran, dass dieser Ort seine Geheimnisse gut bewahrt.
„Einen König zu haben, ist nicht gut“, überlegt der König selbst, seine Stimme von Resignation durchzogen. „Die Welt ist zur Demokratie übergegangen, und das ist auch richtig so.“ Seine Worte hängen in der Luft – ein stilles Eingeständnis seiner Rolle in einer Welt, die sich verändert hat, während er zugleich der Hüter einer Vergangenheit bleibt, die nicht vergeht.
Der Referenzartikel Verborgene Schätze von Turtuk